Sicherheit und Justiz
Polizeigesetz - Fragen & Antworten
Die grün-schwarze Koalition hat sich auf ein neues Polizeigesetz verständigt. Warum ist die Anpassung überhaupt notwendig? Und welche Neuerungen stecken überhaupt drin? Ein Überblick zu den wichtigsten Fragen rund um die neuen Regelungen.
Warum ist überhaupt eine Novellierung/Anpassung des Polizeigesetzes notwendig?
Die Anpassung ist notwendig, um die gesetzlichen Vorgaben der europäischen Datenschutzgrundverordnung und der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Kennzeichenerfassung und zum BKA-Gesetz umzusetzen. Die DSGVO verbessert den Datenschutz für die Bürger*innen. Ihre Umsetzung führt zu einer Stärkung von Bürgerrechten.
Diese CDU-Forderungen haben wir abgelehnt:
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass wir Grüne den Löwenanteil der CDU-Forderungen nach neuen Eingriffsbefugnissen der Sicherheitsbehörden, die allesamt zu Lasten der Bürgerrechte gegangen wären, erfolgreich abgelehnt haben!
- Ausweitung der Schleierfahndung: Die CDU wollte, dass jeder Mensch, der sich innerhalb 30 Kilometer zum Grenzgebiet aufhält, jederzeit anlasslosen Kontrollen ausgesetzt sein sollte. Ganze Städte wie z.B. Lörrach wären betroffen. Deshalb haben eine Ausweitung der anlasslosen Schleierfahndung abgelehnt.
- Onlinedurchsuchung: Die CDU wollte durch die Auswertung auf Festplatten gespeicherter Bilder, Videos, persönlichen Notizen usw. umfangreiche Persönlichkeitsmuster einer Person ermöglichen. Wir halten die Onlinedurchsuchung für unverhältnismäßig und verfassungswidrig. In Karlsruhe sind deswegen mehrere Verfassungsklagen anhängig.
- Ausweitung des Gewahrsams: Die CDU wollte wie in Bayern eine unbegrenzte „präventive Inhaftierung“ durchsetzen. Dieser „Unendlichkeitsgewahrsam“ ist deshalb mit uns nicht machbar. In Baden-Württemberg gibt es weiterhin nur den polizeilichen Gewahrsam bei einer konkreten Gefahr. Die präventive Inhaftierung von Menschen, von denen noch nicht mal eine konkrete, aktuelle Gefahr ausgeht, lehnen wir weiterhin strikt ab.
- Ausweitung DNA-Analyse: Die CDU wollte die präventiv-polizeiliche Untersuchung von Spuren auf Herkunft, Hautfarbe, Haarfarbe und Alter ausdehnen. Das hat für uns im Gefahrenabwehrrecht nichts verloren, sondern kann allenfalls ein Thema der Ahndung und Ermittlung geschehener Straftaten sein.
- Ausweitung des „großen Lauschangriffs“: Den Lauschangriff auf Personen, von denen keine konkrete Gefahr ausgeht, auszuweiten, haben wir nicht zugestimmt. Hier sollten die Maßstäbe des BVerfG klar überschritten werden, was wir nicht zuließen!
Welche Neuerungen sind jetzt vorgesehen?
- Ausweitung des Einsatzes von Schulterkameras (BodyCam) bei Polizeikräften auch in Räumen, inklusive Wohnungen - unter der Bedingung, dass Richter über die Nutzung der Aufnahmen entscheiden.
- Neue Ermächtigungsgrundlage für Durchsuchung und Identitätsfeststellung von Personen, bei gefährdeten Großveranstaltungen durch die Polizei.
- Anpassung an datenschutzrechtliche Vorgaben der EU
- Anpassung an Rechtsprechung des BVerfG (Kennzeichenerfassung). Unter anderem darf diese nicht mehr allgemein zur Abwehr von Gefahren, sondern nur zum Schutz von Leib und Leben eingesetzt werden.
Unterm Strich stärken wir mit der Gesetzesnovelle also die Freiheitsrechte.
Darf die Polizei jetzt anlasslos bei Großveranstaltungen durchsuchen?
Für die Durchsuchung bei Großveranstaltungen wird die Rechtslage präzisiert und eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Wir wahren auch hier eine gute Balance zwischen Freiheit und Sicherheit und schaffen mehr Rechtssicherheit für Besucherinnen und Besucher von Großveranstaltungen und für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Die Polizei darf nur unter strengsten Verhältnismäßigkeitsmaßstäben kontrollieren. Nur, wenn sich im Einzelfall konkrete Tatsachen ergeben, dass eine Großveranstaltung gefährdet sein könnte, dürfen die Kontrollen durchgeführt werden. Die Regelung betrifft somit nicht alle Veranstaltungen - Demonstrationen und Versammlungen sind explizit ausgenommen. Zudem haben wir eine Evaluation unter strengen Maßgaben geplant.
Warum lassen wir jetzt den Einsatz von Bodycams in Wohnungen zu?
Der Einsatz von Schulterkameras in Innenräumen und Wohnungen steht unter Richtervorbehalt, also unter sehr strengen Vorgaben. Die Aufnahmen der Bodycam können künftig nur verwertet werden, wenn ein Richter dies im Nachgang explizit als zulässig und angemessen bewertet. Das heißt: Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist weiter das Maß der Dinge. Bei einer konkreten Gefahr war es auch bisher schon möglich, in Wohnungen einzudringen. Mit dieser Neuerung erkennen wir die präventiv-abschreckende Wirkung an und geben der Polizei weitergehende Möglichkeiten etwa beim Kampf gegen häusliche Gewalt. Mit der Ausweitung der Bodycam wollen wir insgesamt die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie der Polizeibeamten insbesondere bei Fällen von häuslicher Gewalt verbessern.