Seemann: Umsetzung der Istanbul-Konvention

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Mit dem Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen hat sich Baden-Württemberg schon im Jahr 2014 klar zur Umsetzung der Istanbul-Konvention bekannt. Die Vereinbarung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag bestätigt diese Zielsetzung – und ein Blick auf den Haushalt zeigt, in welchem Umfang die Landesregierung Taten folgen lässt.

In den vergangenen fünf Jahren ist Baden-Württemberg im Bereich „Gewalt gegen Frauen“ zunehmend in die freiwillige Finanzierung eingestiegen. Dadurch haben sich die Mittel für diesen Bereich seit 2017 versiebenfacht – von 1,68 Millionen Euro auf rund 11,9 Millionen.

Und mit einer so starken Finanzierung im Rücken lässt sich einiges bewirken.

Es konnten bestehende Initiativen ausgeweitet und gute Ideen zu nachhaltigen Lösungen weiterentwickelt werden. Denken wir etwa an die Second-Stage-Projekte, die von Gewalt betroffenen Frauen dabei helfen, noch während des Aufenthalts im Frauenhaus eigene und vor allem sichere Wohnverhältnisse zu finden. Sie leisten einen wichtigen Beitrag dazu, die Erfolge der insgesamt 43 Frauen- und Kinderschutzhäuser im Land Baden-Württemberg zu konsolidieren und langfristige Perspektiven für Opfer häuslicher Gewalt zu schaffen. Dass wir die Förderung der Second-Stage-Projekte bis einschließlich 2025 finanziell absichern konnten, ist daher ein großer Schritt.

Eines der Projekte, deren Umsetzung längst überfällig war, ist die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Frauen und Mädchen, die von Genitalverstümmelung betroffen oder bedroht sind. Betroffene aus ganz Baden-Württemberg sollen ein leicht zugängliches, niederschwelliges Angebot erhalten, das psychosoziale, therapeutische und gesundheitliche/medizinische Beratung und Behandlung leistet.

Auch mit Blick auf das Beratungsangebot zu Themen wie häusliche und sexuelle Gewalt sowie Prostitution und Menschenhandel konnten bestehende Angebote deutlich ausgeweitet werden. Zu den größten Erfolgen zählen dabei die mobilen Fachberatungsstellen. Allein 2022 wurden hierfür 23 Mobile Teams mit insgesamt rund 1,17 Millionen Euro gefördert. 

Um zu verhindern, dass geflüchtete Frauen und Kinder Opfer von sexuellen Übergriffen, Ausbeutung oder gar Menschenhandel werden, fördert die Landesregierung seit Mai 2022 weitere 16 Mobile Teams der Fachberatungsstellen, die auf den Schutz von geflüchteten Frauen und Mädchen zugeschnittene Angebote machen.

Darüber hinaus ist Baden-Württemberg seit 2021 erstmals in die institutionelle Förderung der Fachberatungsstellen für Menschen in der Prostitution, für Betroffene von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, gegen häusliche Gewalt und gegen sexualisierte Gewalt sowie Interventionsstellen, Frauennotrufe und Beratungsstellen bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend eingestiegen – und die Nachfrage zeigt, dass auch dieser Schritt notwendig war. Allein 2021 reichten rund 60 Träger und Vereine Förderanträge für insgesamt 90 Fachberatungsstellen ein. 2022 waren es bereits 98 Fachberatungsstellen von 67 Trägern und Vereinen.   

Seit November 2021 finanziert das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg eine Förderlinie zur Bekämpfung von digitaler Gewalt. Damit reagiert die Landesregierung auf die Herausforderungen, die mit der voranschreitenden Digitalisierung einhergehen.

Wir sind nicht nur das erste, sondern auch das bisher einzige Bundesland, das geschlechtsspezifische digitale Gewalt im sozialen Nahraum ganz offiziell als Fortsetzung analoger Gewalt betrachtet und diesem Thema eine eigene Koordinierungsstelle widmet.

Da Prävention bekanntlich besser ist als nachträgliche Hilfe für Opfer von Gewalt, wollen wir den Gewaltschutz ganzheitlich angehen. Aus diesem Grund unterstützt die Landesregierung derzeit u.a. eine Öffentlichkeitskampagne und Fortbildungsmaßnahmen für Gastronomie, Clubs und Diskotheken in Baden-Württemberg. Initiativen wie diese tragen dazu bei, das Nachtleben für Frauen sicherer zu machen, und sollen daher auch in Zukunft Teil unseres Landesaktionsplans sein.

Außerdem ist es uns ein Anliegen, bewusst Gruppen in den Blick zu nehmen, die bisher nicht im Fokus standen – beispielsweise Frauen mit Behinderungen oder mit Suchtproblemen. Baden-Württemberg fördert schon heute ein bundesweites Vorreiterprojekt in Form einer Vernetzungsstelle für Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung sowie ein Modellprojekt zur Gewaltprävention und zum Empowerment von Frauen und Mädchen mit Behinderung.

Das ist der entscheidende Punkt: Modellprojekte wie diese sind wichtig, weil sie richtungsweisend sind. Aber dass wir die Richtung kennen, nützt uns nur etwas, wenn wir in Bewegung bleiben. Wenn auf jeden Schritt, den wir geschafft haben, auch ein nächster folgt.

Dafür braucht es gute Ideen, viel Ausdauer und starken Rückhalt.

Wir haben alles drei.