Fahrrad als Wirtschaftsfaktor
Wirtschaftsmotor mit Muskelantrieb – der Parlamentskreis Fahrrad des Baden-Württembergischen Landtags informierte sich in Ludwigsburg umfassend über die wichtige Rolle des Fahrrads für die Wirtschaft im Land. Die Botschaft der Fahrradbranche war dabei klar: Das Potential des Fahrrads ist hoch, seine Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg wird von Politik und Gesellschaft aber leider noch unterschätzt. Ebenso leide auch diese Branche unter Fachkräftemangel.
Am Mittwoch, den 09.11.2022 kam der Baden-Württembergische Parlamentskreis Fahrrad zu seiner dritten Sitzung auf dem Firmengelände der Zedler-Gruppe in Ludwigsburg zusammen. Geladen waren neben den ständigen Mitgliedern des Kreises, Verkehrs- und Wirtschaftsministerium sowie radspezifischen Interessenverbänden auch verschiedene Vertreter:innen der Fahrradwirtschaft, wobei neben großen Akteuren wie Bosch eBike Systems oder Paul Lange & Co. OHG auch mittelständische Unternehmen wie die Firma Supernova Design, einem innovativen Beleuchtungshersteller aus der Nähe von Freiburg, vertreten waren. Organisiert wurde dieser Außentermin von dem Grünen Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein, Initiator des Parlamentskreises und fahrradpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion. „Das Fahrrad spielt nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch eine gewichtige Rolle in Baden-Württemberg!“ erklärte Katzenstein bei der Eröffnung der Veranstaltung.
Bedeutung des Fahrrads auf allen Ebenen
Im Keynote-Vortrag des Abends stellte Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV), die Bedeutung des Fahrrads für Wirtschaft und Gesellschaft heraus. „Die Fahrradbranche ist eine der ältesten Industrien Deutschlands, und auch der Ursprung vieler anderen Industriezweige!“ so Stork, der sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene tätig ist. Dabei sei es der Fahrradbranche mehrfach gelungen, sich neu zu erfinden. Zuletzt habe sie aus eigener Kraft ihre Elektrifizierung gestemmt und konnte so den Umsatz in den letzten 10 Jahren verdreifachen. „Das Produkt Fahrrad ist Teil der Lösung für viele drängende Probleme der heutigen Zeit: Klimawandel, Bewegungsmangel, gesellschaftliche Teilhabe, Lebensqualität im Quartier, und vieles mehr!“ hob Stork klar die gesellschaftliche Bedeutung des Fahrrades hervor.
Gastgeber Dirk Zedler, Gründer und Geschäftsführer der Zedler-Group, begrüßte die Anwesenden in seinem Hause und gab einen Überblick über Geschichte und Tätigkeitsbereiche seines Unternehmens. „Wer irgendwo zum Fahrradlenker greift, hält mit Sicherheit auch Technik aus Ludwigsburg in der Hand.“ erklärte Zedler stolz. Der Diplom-Ingenieur forderte aber auch einen deutlich schnelleren Ausbau der Radinfrastruktur: „Die Nutzbarkeit des Fahrrads muss erhöht werden, damit nach dem Corona-Verkaufsrausch nicht der Kater kommt.“
Bedeutung der Fahrradwirtschaft auf kommunaler Ebene
Im anschließenden Austausch erarbeiteten die Anwesenden verschiedene Möglichkeiten, die Bedeutung der Fahrradwirtschaft auch auf kommunaler Ebene in den Fokus zu rücken. „Die Fördertöpfe des Landes sind voll. Aber wir brauchen Verwaltungen vor Ort, die den Ausbau der Radinfrastruktur auch wollen und umsetzten. Dazu sind auch Mehrheiten in den Gemeinderäten nötig!“ erklärte Verkehrs-Staatssekretärin Elke Zimmer MdL die Gründe für das schleppende Tempo beim Radwegeausbau. Ein weiteres Diskussionsthema war die spezielle Situation des Fachkräftemangels in der Fahrradwirtschaft. So fehlen der Branche nach Angaben der Wirtschaftsvertretenden nicht nur Arbeitskräfte auf allen Qualifikationsebenen, das Problem läge auch in den fehlenden Ausbildungsschwerpunkten und –inhalten. „Fängt bei uns ein fertig studierter Ingenieur neu an, müssen wir ihm erstmal Fahrrad beibringen!“ so Dirk Zedler. Allgemeine Zustimmung fand daher auch ein Vorschlag des Landtagsabgeordneten August Schuler (CDU): „Es muss ein eigener Studiengang her!“ Hermino Katzenstein MdL kommt zu folgendem Resümee: „Dieser lange und intensive Austausch hat uns Landespolitiker:innen durchaus neue Erkenntnisse gebracht. Wir werden die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Fahrrad stärker beachten. Zudem bietet die Branche Chancen für die Transformation im Bereich der Automobilwirtschaft, vom Kfz-Mechatroniker ist es nicht weit zum Zweirad-Mechatroniker“. Der Abgeordnete dankte zum Schluss Dirk Zedler für die Gastfreundschaft und allen Beteiligten, die zum Teil weite Wege auf sich genommen hatten, für den fruchtbaren Austausch.
Hintergrund Informationen zum Parlamentskreis Fahrrad Baden-Württemberg
Der Parlamentskreis Fahrrad, der sich im Januar dieses Jahres in Stuttgart gegründet hatte, ist nicht nur der erste seiner Art in Baden-Württemberg, sondern auch bundesweit der einzige interfraktionelle Arbeitskreis zum Thema Radverkehr in einem Landtag. „Ziel ist es, den Radverkehr als wichtige nachhaltige Mobilitätsform in die Mitte des Parlaments zu tragen, um eine breite Unterstützung über Fraktionsgrenzen hinweg zu erreichen.“ so der Fahrradpolitiker Katzenstein. Der Kern des Forums, welcher aus Mitgliedern verschiedener im Landtag vertretenen Fraktionen besteht, kommt regelmäßig zusammen, um sich zu Belangen und Themen rund um das Fahrrad auszutauschen. Je nach Themensetzung wird der Kreis außerdem durch weitere Fachabgeordnete, verschiedene Ministeriumsvertreter:innen sowie durch externe Gäste aus der Verkehrs- und Fahrradbranche erweitert. Als Schwerpunktthema für das nächste Treffen hat der Parlamentskreis bereits das Thema „Fahrrad in der Kommune“ ins Auge gefasst.