Agrarpolitik und Ernährung

Ernährungssicherung in Baden-Württemberg für krisenfeste Gesellschaft

 

Essen und Trinken sind zentrale Grundbedürfnisse. Der Agrar- und Ernährungssektor muss deshalb so aufgestellt sein, dass er auch bei sich verschärfenden Krisen stabil bleibt und damit für unsere Be­­völ­kerung eine ausreichende Versorgung mit gesunden Lebensmitteln gesichert ist.

Es ist zu erwarten, dass durch Dürren und Wassermangel ganze Regionen, beispielsweise in den süd­lichen EU-Mitgliedsstaaten, keine Lebensmittel, insbesondere Gemüse und Obst mehr erzeugen kön­nen. Kriege und Pandemien wiederum bedrohen die Funktionstüchtigkeit globaler Ernährungs­ketten, so dass Erzeugung und Verarbeitung regional und innerhalb Deutschlands deutlich an Bedeutung ge­winnen müssen.

Kennzeichen von krisenfesten Ernährungssystemen sind hohe Selbstversorgungsgrade, die Unabhän­gigkeit von Importen bei Betriebsmitteln wie Futter- oder Düngemittel und die Stärkung der Handels­beziehungen zu befreundeten Staaten. Ebenso wichtige Bausteine sind vielfältige Erzeugungs- und Verarbeitungsstrukturen und deren Flexibilität und Robustheit. Der Anbau von regionalen, standort­angepassten Kulturen und vielfältige Sorten tragen zu einem größeren Genpool und einer gesteiger­ten Resilienz bei.

Konkret zielt unsere Strategie zur Ernährungssicherung auf Landesebene darauf ab …

… die Zukunft unserer Höfe zu erhalten und ihre Rentabilität zu sichern;

… Agrarökosysteme nachhaltig zu sichern und Verluste von Lebensmitteln zu minimieren;

… die Strukturen zur Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung in unserem Bundesland zu erhalten und deren Zukunft zu sichern;

… regionale Ernährungskreisläufe (Beispiel regionale Lebensmittel in öffentlichen Kantinen und der Care-Infrastruktur) zu stärken und

… internationale Kooperationen mit befreundeten Staaten zu pflegen und bestmöglich abzusichern.

Das Zielbild unserer grünen Agrarpolitik für Baden-Württemberg ist eine krisensichere bäuerliche Landwirtschaft, die in regionalen Kreisläufen arbeitet: Eine Landwirtschaft, die Natur, Klima sowie Biodiversität schützt und die Tiere artgerecht hält.

Darauf bauen wir auf – was wir schon jetzt für Ernährungssicherheit tun

Wir setzen Anreize für mehr Biodiversität, für nachhaltige Anbaupraktiken und den ökologischen Landbau

Indem wir Bodenerosion stoppen, Bodenfruchtbarkeit verbessern, Agrarökosysteme nachhaltig opti­mieren und den Ökolandbau als unser nachhaltigstes und artenreichstes Anbausystem fördern, sichern wir unsere Lebensmittelerzeugung langfristig. Das Land investiert jährlich zusammen mit Bund und EU über 600 Mio. € in die Landwirtschaft in Baden-Württemberg.

Ein zentraler Aspekt für die Anpassung an den Klimawandel ist die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und damit auch Wasserhaltefähigkeit durch Verminderung von Erosion, Bodenbedeckung oder Agroforstsysteme. Hier bieten wir bereits Förderlinien an, die für die neue Förderperiode evaluiert und ggf. angepasst werden sollen.

Für die Ernährungssicherung ist die Bestäubungsleistung unserer Insekten unabdingbar. Mit Maßnah­men wie dem Biodiversitätsstärkungsgesetz von 2020, dem Sonderprogramm zur Stärkung der biolo­gischen Vielfalt und der Einrichtung des Kompetenzzentrums für Biodiversität und integrative Taxo­nomie (KomBioTa) leisten wir wichtige Beiträge zum Erhalt der Insekten. Diesen eingeschlagenen Weg führen wir entschlossen fort und setzen uns dafür ein, dass die Vielfalt und Biomasse der Insekten in Baden-Württemberg wieder zunimmt.

Wir stärken die regionale Produktion und Verarbeitung

Baden-Württemberg unterstützt die MBW (Marketing Baden-Württemberg) finanziell. Die MBW ist unter anderem zuständig für die Bewerbung und Weiterentwicklung der Qualitätszeichen QZBW, BIO-Zeichen BW und QZBW Streuobst. Durch sie können Verbraucherinnen und Verbraucher Lebensmittel aus Baden-Württemberg sicher erkennen.

Mit verschiedenen Förderprogrammen wie der Marktstrukturverbesserung fördern wir Investitionen in regionale Lebensmittelverarbeitung – Voraussetzung ist, dass die Rohstoffe von regionalen Bäuerinnen und Bauern stammen.

Tierhaltung ermöglicht eine nachhaltige Nutzung von Grünland und Reststoffen

Die Nutztierhaltung, insbesondere die Haltung von Rindern, Schafen und Ziegen hat eine wichtige Be­deu­­tung für Baden-Württemberg, das durch seine vielfältigen landwirtschaftlichen Strukturen mit hohem Grünlandanteil geprägt ist. Diese Wiederkäuer machen Grünland für die menschliche Ernäh­rung nutzbar und können Gras in hochwertige Eiweiße in Form von Milch und Fleisch umwandeln. Wir fördern deswegen die Weidetierhaltung im Rahmen von FAKT und der Landschaftspflegerichtlinie und wollen sie ausbauen.

Außerdem können durch die Tierhaltung wertvolle Reststoffe der Lebensmittelherstellung wie Kleie, Rapsschrot oder Treber im Rahmen der Kreislaufwirtschaft zu hochwertigen tierischen Produkten weiter veredelt werden.

Wir fördern Innovation in der Land- und Ernährungswirtschaft in Baden-Württemberg

Unsere Landesforschungsanstalten für Landwirtschaft, Wein- und Obstbau erforschen gemeinsam mit Universitäten und Hochschulen wichtige Zukunftsfragen. Das betrifft beispielsweise Fragen der Klima­anpassung, der Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln oder der Marktentwicklung. Baden-Württemberg übernimmt eine besondere Verantwortung für die Ernährungssicherung durch den Erhalt und die Weiterentwicklung traditioneller Kulturpflanzen wie Emmer, Kamut, Buchweizen oder Lein. 

Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung erhöhen kostenneutral die Verfügbarkeit von Lebensmitteln. Dieses Thema spielt in der Ernährungsstrategie des Landes eine große Rolle.

Wir unterstützen die Risikoabsicherung der Höfe

Das Land fördert Betriebe des Obst- und Weinbaus mit einem Beitrag zur Risikoausgleichs­ver­siche­rung. Sie gilt insbesondere für Frostschäden, die mit beschleunigtem Klimawandel verstärkt auftreten.

Die Landesregierung fördert eine weitere Art der Risikoabsicherung für unsere Höfe, die sogenannte Diversifizierung, also der Aufbau mehrerer unterschiedlicher Standbeine wie etwa der Direkt­vermark­tung. Damit wird unternehmerisches Risiko verteilt, die Höfe werden robuster. 

Wir entwickeln die Zukunft der Land- und Ernährungswirtschaft
in Baden-Württemberg gemeinsam – mit dem Strategiedialog Landwirtschaft

Im Zentrum des Dialogs steht die langfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit unserer Höfe. Sie ist die Basis dafür, dass wir in Krisenzeiten ausreichend im Ländle produzieren können. Dafür braucht es faire Preise für die Bäuerinnen und Bauern im Land. Das geht nur, wenn der Lebensmittelhandel mitspielt. Auch Naturschutzleistungen und mehr Tierwohl können nur dann erbracht werden, wenn die Höfe ein auskömmliches Einkommen haben.

Das Land geht mit gutem Beispiel voran und schafft regionale Märkte

In den Kantinen des Landes werden bis 2030 mindestens 70 Prozent der Lebensmittel aus der Region stammen, und 30 bis 40 Prozent aus bio-regionalem Anbau.  Apfel- und Birnensaft muss von Streu­obstwiesen stammen. Das trägt dazu bei, regionale Lebensmittelnetzwerke aufzubauen und unter­stützt unsere konventionelle und biologische Landwirtschaft. Regionale öffentliche Verpflegung kann ein wichtiger Baustein der Ernährungssicherung in Krisenzeiten werden.

Wir halten Baden-Württembergs Landwirtschaft frei von klassischer und neuer Gentechnik

Die kleinteilige Landwirtschaft in Baden-Württemberg tut sich mit günstiger Weltmarktproduktion schwer. Viele Betriebe sind nicht konkurrenzfähig, dafür sind die Produktionskosten hier zu hoch.
„Ohne Gentechnik“ ist ein zwingender Bestandteil unserer Qualitätsstrategie und ein wichtiger Wirtschafts­faktor. Gentechnisch veränderte Lebensmittel schaden dieser Qualitätsstrategie, dem ökologischen Land­­bau und haben potentielle negative Auswirkungen auf die heimischen Märkte und die Öko­systeme.

Wir investieren in die Weiterentwicklung der Ausbildung in den „Grünen Berufen“

Grundvoraussetzung für den Erhalt der Höfe ist der berufliche Nachwuchs. Hier ist ein stetiger Rück­gang zu verzeichnen. Damit sich mehr junge Menschen für die grünen Berufe entscheiden können, sind gute Arbeitsbedingungen, ein auskömmliches Einkommen und gesellschaftliche Wertschätzung unab­dingbar.

Die Qualität der Ausbildung ist mitentscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe.  Deshalb haben wir drei Ausbildungsstandorte für Landwirtschaft im Land gestärkt, Emmendingen-Hochburg, Kupferzell und das Cluster Oberschwaben. Wir wollen die Ausbildung an Fach- und Berufsschulen kontinuierlich weiterentwickeln mit dem Ziel, Qualität und Attraktivität maßgeblich zu steigern. Bei­spiels­weise investieren wir in eine Ausbildung auf höchstem technischem Niveau durch Investitionen in die DEULA in Kirchheim/Teck (agrar­technische Einrichtung zur Berufsausbildung).

Wir zeigen Wege auf zur effizienten Nutzung unserer Ressourcen: Doppelnutzung von Flächen

Ein schonender, effizienter Umgang mit unseren endlichen Ressourcen wie Fläche und Rohstoffe sichert das Fundament unserer Betriebe und kann zusätzliche Wertschöpfung auf die Höfe bringen. In diesem Sinne fördert das Land die Doppelnutzung von Flächen mit Energie und Agrarproduktion, die sogenannte Agri-PV. Wir arbeiten auf Bundes- und EU-Ebene daran, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Agri-PV attraktiver wird.

Schritte zu mehr Resilienz in der Agrar- und Ernährungswirtschaft

Resiliente Land- und Ernährungswirtschaft als Grundlagen der Ernährungssicherung

  • Wir werden die Erstellung eines Krisenplans zur Ernährungssicherung in Baden-Württem­berg anstoßen und forcieren. Er soll unter anderem auf die Ergebnisse der Enquete auf­bauen. Er soll die Schwächen des Systems erfassen, mögliche Folgen von Schocks oder Krisen aufzeigen und Lösungen zur Stärkung des Systems erarbeiten. Er ist eine wichtige Basis zur Prioritätensetzung.
  • Wir setzen uns für die Fortführung des Dialogs zwischen Landwirtschaft, Handel und Ver­braucher*innen ein, der mit dem Strategiedialog begonnen wurde.
  • Das QZBW und das Bio-Zeichen BW sollen wirkungsvoller werden. Dazu gehört eine bessere Bewerbung der Lebensmittel.  Um die Effizienz zu steigern, sollen mittelfristig Landesmarketing, Tourismusmarketing und Agrarmarketing unter einem (Marken-)Dach vereint werden, wie es Österreich und Südtirol vormachen.
  • Die regionale Belieferung öffentlicher aber auch privatwirtschaftlicher Kantinen und Mensen stellt einen sehr wichtigen Baustein für die Ernährungssicherung in Schocks und Krisen dar. Wir wollen die Kantinenrichtlinie Schritt für Schritt in allen Landeskantinen umsetzen, die Uni-Mensen und Klinika mit ins Boot holen und gemeinsam mit den kommunalen Einrichtungen vorankommen.
  • Wir setzen uns für alle Instrumente auf Bundes- und EU-Ebene ein, die die Marktmacht der Erzeuger stärken und wirkungsvoll faire Bedingungen zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Handel schaffen.
  • Zur Stärkung der Handelsbeziehungen mit befreundeten Staaten im Agrarbereich sollen die Kooperationen Baden-Württembergs mit unseren EU-Nachbarländern Österreich, Frankreich und auch Italien im Bereich des Agrar- und Ernährungssektors intensiviert werden.

Betriebe entlasten, Forschung ausbauen

  • Die Landesregierung unterstützen wir bei einem weiteren Abbau bzw. einer Digitalisierung und Vereinfachung von Berichtspflichten und Dokumentationen zugunsten von Höfen und Lebensmittelhandwerks.
  • Die angewandte Forschung an den Landesanstalten im Bereich der regionalen Märkte und Wertschöpfungsketten sowie zum Saatgut soll ausgebaut werden.

Sorgsam mit natürlichen Ressourcen umgehen

  • Wir fordern die Landesregierung auf, zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, unsere hoch­­wertigen Flächen zum Anbau von Lebensmitteln besser vor Bebauung und Ver­siegelung zu schützen. Gleichzeitig wollen wir Agri-PV in Baden-Württemberg stärker vor­an­bringen, denn die Doppelnutzung von Fläche für Ernährung und Energieerzeugung schont unsere Ressourcen.
  • Der tägliche „Flächenverbrauch“ durch Versiegelung, Verkehrsflächen und Bau geht vor allem auf Kosten unserer Produktionsfläche für Lebensmittel. Zusätzlich verlieren wir Fläche durch den Naturschutzausgleich für die Ein­griffe. Wir verlieren also täglich deutlich mehr Flächen für unsere Ernährung und als wirtschaftliche Grundlage für die Höfe, als es die Statistik im täg­lichen Flächenverlust ausweist. Deshalb wollen wir bei der Umsetzung einer produktions­integrierten Kompensation (PIK) schneller vorankommen.
  • Bei Maßnahmen zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrads haben wir insbesondere die Erzeugung von Obst und Gemüse im Blick. Hier ist der klima-, umwelt- und flächen­effiziente Gewächshausbau, beispielsweise flächensparend auf Logistikgebäuden, wichtig.
  • Die Strategie des Landes zum Umgang mit Wassermangel muss umgesetzt und sukzessive weiterentwickelt werden. Sauberes Trinkwasser ist ein wichtiger Bestandteil der Ernährungssicherung. Ebenso braucht es Beregnungswasser für bedürftige Kulturen. Wir setzen uns für einen sparsamen Umgang mit dem Gut Wasser ein