Evers: Mediensysteme für Gefangene
Stuttgart - Wie sieht die Welt von Menschen aus, die nach jahrelanger Haft das Gefängnis verlassen? Auch wenn sich diese Frage natürlich nicht für den Einzelnen beantworten lässt, so lautet die Antwort doch: Auf jeden Fall digitaler als zuvor!
Die Regierungskoalition aus Grünen und CDU ruft daher ein Projekt ins Leben, mit dem die Gefangenen für ihre Rückkehr in die Gesellschaft besser vorbereitet werden sollen – mit sogenannten Haftraummediensystemen, die sie bereits während der Unterbringung in der Haftanstalt nutzen können. „Resozialisierung durch Digitalisierung“ lautet das Motto des Modellversuchs, der nach erfolgreicher Haushaltsberatung in einzelnen Gefängnissen Baden-Württembergs schon bald umgesetzt wird.
„Digitale Angebote regeln einen großen Teil unseres Lebens – von hilfreichen Apps fürs Handy bis zu virtuellen Helfern bei Behördengängen. Wenn wir ehemalige Gefangene zurück in die gesellschaftliche Mitte holen wollen, geht das nur, wenn sie bereits während der Zeit ihrer Inhaftierung lernen, mit diesen digitalen Angeboten umzugehen. So bekommen sie die Möglichkeit, im Vollzug am Ball zu bleiben und nicht den Anschluss nach draußen zu verlieren. Das schafft Chancen für die Reintegration in den späteren Alltag und in die Arbeitswelt. Das Medienprojekt bildet so für die Gefangenen eine virtuelle Brücke zur Außenwelt. Ich bin daher sehr erfreut, dass wir das Projekt mit unserem Koalitionspartner starten können“, sagt die Grüne Sprecherin für Rechtspolitik, Daniela Evers.
Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Arnulf Freiherr von Eyb erklärt: „Gerade ältere Gefangene mit langjährigen Haftstrafen, sowie Sicherungsverwahrte können nach vielen Jahren im Vollzug oft mit dem technischen Fortschritt ,draußen‘ nicht Schritt halten. Um dem entgegen zu wirken haben wir uns dafür eingesetzt, dass ein Pilotprojekt des Justizministeriums starten kann, welches ein Mediensystem im Haftraum testet. Dies beinhaltet Fernsehen, Telefonie und Internet im Haftraum, natürlich mit entsprechenden Einschränkungen.“
Bereits einige Systeme sind auf dem freien Markt zur Nutzung in Hafträumen verfügbar. Die Angebote reichen von E-Learning, kontrollierbaren Internetzugängen oder Videotelefonie. „Natürlich stellt sich hier die Frage: Sind die Systeme sicher? Selbstverständlich wird der Betrieb dieser Medien kontrolliert, überwacht und ständig aktualisiert“, sagt Evers. „Wir dürfen vor allem nicht vergessen: Gefangene können den Kontakt zu ihrer Familie und Freunden auf diese Weise aufrechterhalten, sich auf Schulabschlüsse vorbereiten oder sich auf dem aktuellen Stand halten. All dies sorgt für einen humanen Umgang mit Sträflingen und für Stabilität in ihrem Leben. Und wir geben ihnen so die Möglichkeit, sich an ihrem ersten Tag in Freiheit schneller digital zurechtzufinden.“
„Gerade Personen in der Sicherungsverwahrung müssen an die Begebenheiten im normalen Leben herangeführt werden. Dazu gehört in der heutigen, schnelllebigen Zeit auch, dass technisch Mögliches, erlernt wird. Dass dies nicht dazu führen kann, dass Gefangene den ganzen Tag im Internet surfen, ist selbstredend. Personen jedoch, deren Entlassung wahrscheinlich ist und nicht mehr in weiter Ferne liegt, sollen damit eine bessere Chance auf Resozialisierung erhalten. Denn nur durch erfolgreiche Resozialisierung kann eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft funktionieren. Damit sollte am Ende dann allen geholfen sein“, so Freiherr von Eyb.
Erste Erfahrungen mit den Systemen hat bereits auf Initiative der Grünen das Land Berlin gesammelt. Dabei bewertete die Senatsverwaltung für Justiz das Projekt als „überaus erfolgreich“. In Baden-Württemberg sollen die Haftraummediensysteme in einzelnen Gefängnissen probeweise eingesetzt werden. Das Projekt, das zunächst als Modellversuch angelegt ist, geht dank des Einsatzes der Fraktionen von Grünen und CDU im Jahr 2024 an den Start. Kosten: 200 000 Euro.