Nie wieder!

Es ist mir eine große Freude, dass wir zur Beratung dieses Staatvertrags Gäste in unserem Haus willkommen heißen dürfen.

Dass Baden-Württemberg heute wieder Heimat lebendiger jüdischer Gemeinden, lebendigen jüdischen Lebens ist - das ist Ihr Verdienst!
Am Montag haben wir gemeinsam an diesem Ort die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Ich danke Muhterem Aras für diese würdig gestaltete Veranstaltung und für ihre mutige Rede, für ihren Appell an uns alle, unsere offene Gesellschaft zu schützen.

80 Jahre sind seit der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau vergangen. 80 Jahre sind eine lange Zeit. Die Shoa bleibt ein Einschnitt, der nicht vergessen werden darf. Umso mehr schockiert mich, dass bei einer Umfrage 40 Prozent der jungen Deutschen nicht wussten, dass sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet wurden.
Ich finde das beängstigend!

Deshalb ist es umso wichtiger, die Erinnerung wach zu halten.

Es ist an uns, die Unfassbarkeit dieser planmäßigen Ermordung von Millionen von Menschen nicht in das Dunkel der Vergangenheit herabsinken zu lassen. Es ist an uns, dieses Leid und diese unfassbaren Taten in Erinnerung zu halten. Das ist unsere Aufgabe heute. Darin sind wir uns in den demokratischen Fraktionen einig. „Nie wieder“! Darin liegt etwas, das wir wachhalten müssen. Gemeinsam, mit Mut, mit Anstand, jeden Tag!

Herr Michael Kashi

Herr Michael Kashi hat als Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs bei der Gedenkveranstaltung ein Grußwort gehalten. Sein Grußwort klingt mir noch nach. Herr Kashi sprach davon, wie die jüdischen Überlebenden der Shoa vor verschlossenen Toren standen. Eine Situation, die sich erst mit der Gründung des Staates Israel geändert hat. Er berichtete eindrücklich, wie Antisemitismus das Leben für ihn als jungen Mann in Deutschland prägte. Und er zog daraus den Schluss, gerade hier, in seinem Land, für die Erinnerung an die Shoa zu kämpfen:
„Damit niemals mehr Menschen sich zu Herren über andere erheben!“

Ideologien und Demokratie

Wer heute wach durch die Welt geht, sieht, dass der Antisemitismus weiterhin sein Unwesen treibt. Mehr noch: Er sieht, dass Ideologien an Macht gewinnen, die darauf abzielen, zwischen „wir“ und „die anderen“ zu unterscheiden; Ideologien, die die einen zu Herren und die anderen zu Sklaven machen wollen. Es wird über Deportationen und Lager gesprochen.
In Europa blicken wir nach Ungarn, nach Italien, in die Slowakei, nach Österreich und: Was heißt „Nie wieder“ für uns in Deutschland, vor dieser Bundestagswahl?

Wir alle in den demokratischen Fraktionen sind gefragt, damit aus dem Schneeball keine Lawine wird. Damit sich nicht wiederholt, was einmal geschehen ist. Ich zitiere hier gerne unsere Landtagspräsidentin Muhterem Aras:
„Glauben wir an die Demokratie! Und machen wir es ihren Feinden nicht bequem!“
Das ist unser Auftrag!

Aus dieser Verantwortung heraus haben die demokratischen Fraktionen den gemeinsamen Auftrag entwickelt, das jüdische Leben in Baden-Württemberg zu schützen und sichtbar zu machen. Mit dem Staatsvertrag fördern wir das Bildungswerk der israelitischen Religionsgemeinschaften. Jüdische Feiertage werden sichtbar. In der Schule, im Beruf – Jüdinnen und Juden können ihre Fest- und Gedenktage begehen!
Und wir stellen die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen für die jüdischen Gemeinden auf Dauer. Es ist traurig, dass dies notwendig ist. Doch solange diese Maßnahmen notwendig sind, ist es auch notwendig, dafür aufzukommen!

Zur Vielfalt, die unser Land stark und lebenswert macht, gehört das jüdische Leben!

Das ist nicht der Blick auf die Vergangenheit. Das jüdische Leben ist und bleibt ein integraler Bestandteil von Baden-Württemberg. Es ist unser Auftrag es zu schützen und es als selbstverständlichen Teil unseres Landes sichtbar werden zu lassen.
Darum geht es!