Schüler Kompetenzen verbessern
Was haben der Klimawandel und die Bildung gemeinsam? Bei beiden tun wir gut daran, auf die seriöse Wissenschaft und nicht auf die Ideologen von gestern zu hören. Andreas Schleicher, der Leiter der OECD PISA-Studien, formuliert sehr klar:
“Die neusten PISA-Ergebnisse machen deutlich, dass es Bildungssystemen gelingen kann, sowohl eine hervorragende Unterrichtsqualität als auch gleiche Bildungschancen für alle zu gewährleisten, und dass sie schulische Spitzenleistungen fördern können, ohne dass dies auf Kosten des Wohlgehens der Schüler*innen geht. Im Gegenteil, sie schaffen dies, indem sie das Wohlergehen der Schüler*innen fördern.”
Dass uns das zu selten gelingt, war ein Grund für die bemerkenswert erfolgreiche Volksinitiative zu G9. Unsere Kinder und Jugendlichen haben zu wenig Zeit für die Entwicklung grundlegender Fähigkeiten. Sie müssen, auch aufgrund überkommener Prüfungsvorgaben, eine Unmenge Stoff reproduzieren, der dann viel zu schnell wieder vergessen wird.
Fähigkeiten von Schülern
Unsere jungen Menschen müssen mit ihren fachlichen, fächerübergreifenden und persönlichen Kompetenzen in der Lage sein, sich unbekannten Herausforderungen erfolgreich zu stellen. Die nötigen Future Skills – Kommunikation, Kooperation, Kreativität und kritisches Denken - lernen junge Menschen in unseren Schulen bisher viel zu wenig.
Dies beklagen, wie unsere Enquete krisenfeste Gesellschaft gezeigt hat, große Teile unserer Wirtschaft und die Hochschulen. Denn was haben wir von Wissenschaftlerinnen oder Ingenieuren, die nicht kreativ sind? Wie sind wir gegen Fake News gewappnet, wenn junge Menschen kaum gelernt haben, klug zu hinterfragen, Ideologien zu entlarven und sich mutig eigene Gedanken zu machen?
Inhaltliche Veränderung
Mit der Änderung des Schulgesetzes, die wir heute abschließend beraten, wird es in den Schulen unseres Landes – und zwar nicht nur an den Gymnasien, sondern etwa auch an den Gemeinschaftsschulen und Realschulen – mehr Zeit und Raum geben für Demokratiebildung, für den mathematisch-naturwissenschaftlichen MINT-Bereich und für die Entwicklung digitaler Mündigkeit. Denn sie entscheidet mit darüber, ob wir auch künftig in einer liberalen Demokratie leben – oder in einer unfreien Welt der Autokraten, die keine Rücksicht auf Mensch und Natur nimmt.
Als Grundlage für bessere Bildung legen wir als grün geführte Landesregierung ein besonderes Gewicht auf Sprache und weitere Basiskompetenzen. Hier setzen wir ganz besonders auf die frühkindliche Bildung und die Grundschule. Dafür investieren wir künftig mehr als jedes andere Flächenland – egal, von wem es regiert wird.
Kompass 4
Nicht überraschend sind mit der Reform auch Unsicherheiten verbunden. Fortschritte sind in einer Koalition mit unterschiedlichen Ansätzen nur möglich, wenn beide Seiten aufeinander zugehen und Dinge tun, die sie von sich aus nicht forciert hätten. Es ist kein Geheimnis: Eine verbindliche Grundschulempfehlung ist kein Grünes Projekt – und es gibt sie in keinem PISA-Siegerland. Instrumente wie Kompass 4 müssen daher künftig wenigstens so ausgestaltet sein, dass sie Kinder nicht ängstigen oder Lehrkräfte demotivieren. Also: Das muss besser werden!
Werk- und Realschulen
So können Werkrealschulen nun neue Kooperationen mit Realschulen oder beruflichen Schulen eingehen, um ihren Schülerinnen und Schülern den Weg zu einem bundesweit anerkannten mittleren Abschluss zu eröffnen. Sie können sich zur Gemeinschaftsschule oder Realschule weiterentwickeln, mit Unterstützung von Schulverwaltung und Land. Viele Schulen und Schulträger machen sich hier bereits auf den Weg in die Zukunft. In den Verordnungen haben wir Regelungen vorgesehen, die jedem Standort passgenaue Lösungen ermöglichen. Dazu zählen auch neue Verbundoberstufen mit Gemeinschaftsschulen.
Stundentafelöffnungsverordnung
Eine zentrale Voraussetzung für mehr schulische Autonomie ist die Stundentafelöffnungsverordnung. Ein sperriger Begriff, der es in sich hat: Künftig können alle Schulen, auch die Gymnasien, selbst entscheiden, wie sie die Bildungsziele erreichen. Sie können projektorientiert und fächerübergreifend arbeiten, dabei Stunden jahrgangsübergreifend zusammenziehen, reduzieren oder bestimmte Bereiche verstärken. Unter neuen Voraussetzungen ermöglicht dies, ein besonderes Profil weiterzuentwickeln – sei es Sport, Musik, Bildende Kunst, Erdkunde, der MINT-Bereich oder ganz wichtig kulturelle Bildung. Gerade sie bietet sich für neue Schwerpunkte und Profile an. An der langen Zeit besten Schule im deutschen PISA-Vergleich wird ein Drittel des Jahres nur Theater gespielt – und dabei werden alle relevanten Kompetenzen abgebildet.
Wie geht es jetzt weiter?
Die heutigen Schulgesetzänderungen weisen insgesamt nach vorne. Sie sind aber weder perfekt noch „endgültig“. Wir sind überzeugt: Wir brauchen in der nächsten Wahlperiode zeitnah einen umfassenden gesellschaftlichen Bildungsdialog, mit Schulpraxis und Wissenschaft, mit der Wirtschaft, mit Eltern und Schülerinnen und Schülern, mit einer Enquete und zahlreichen Bürgerforen. Neue und herausfordernde Zeiten erfordern einen offenen Blick, die Bereitschaft sich auch unangenehmen Fragen zu stellen und vor allem die Fähigkeit und den Mut, sich statt an einer vermeintlich besseren Vergangenheit an den heute international Besten zu orientieren. Unser Land, unsere Köpfe und unsere Herzen haben das Potenzial dazu.