Teller statt Tonne - Lebensmittelverschwendung
Teller statt Tonne - Lebensmittelverschwendung
Beim 16. "Europäischen Gespräch" ging es um ein urgrünes Thema: den Skandal der Nahrungsmittelüberproduktion und -vernichtung mit all seinen Auswirkungen auf die Umwelt, die Marktstrukturen, die Preisbildung, die Verdrängung der Kleinbauern und die Verantwortung für Hunger und Armut auf der Welt.
Sandra Boser, verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion, betonte bei ihrer Begrüßung die zentrale Bedeutung der regionalen Nahrungsmittelproduktion und eines geschärften Verbraucherbewusstseins über den Wert der Nahrung.
Ausschnitte aus dem Film "Taste the waste", des Regisseurs Valentin Thurn illustrierten die massive Verschwendung von Lebensmitteln besonders bei Industrie und Handel. "Das Essen, was wir in der EU wegwerfen, würde reichen, um zwei mal die Hungernden der Welt satt zu machen". Zur Zeit werde bei uns beispielsweise die sehr gute Kartoffelernte des letzten Jahres vernichtet und Frühkartoffeln aus Ägypten importiert, weil die Verbraucher/innen zum Spargel frische Kartoffeln bevorzugen.
Als eine der Ursachen der Überproduktion identifizierte Heide Rühle die noch immer viel zu hohen EU-Agrarsubventionen. "Die zur Zeit verhandelte Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik muss die Stärkung kleinbäuerlicher Landwirtschaft verfolgen und die nachhaltige Landbewirtschaftung im Gemeininteresse stärken." Außerdem untergrabe der Einzelhandel durch Billigpreise den Wert der Nahrung.
Jakob Barabosz von der Universität Stuttgart hat in einer Studie die Wertschöpfungskette der Lebensmittel untersucht und ist dabei auf eine Mauer des Schweigens bei der Industrie gestoßen. Allerdings fanden sich allein im Hausmüll von Privathaushalten in Deutschland jährlich rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittel.
Für Dr. Rupert Ebner, Schatzmeister von Slow Food Deutschland, bietet die mangelnde Wertschätzung von Lebensmitteln und ein fehlendes Bewusstsein für die Folgen von Verschwendung den Ansatzpunkt für Aufklärung der Konsumenten/innen. Außerdem prangerte er die Macht des Marketings an: "Die Werbung zeigt uns grüne Wiesen und suggeriert den Kunden ein perfektes Bild von gesunden Lebensmitteln. Dabei werden 90 Prozent der Milch von Kühen erzeugt, die nie eine Weide gesehen haben."
Monika Radke als Vertreterin des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucher betonte vor allem die heute fehlende Wertschätzung von Lebensmitteln. Vor allem Kinder und junge Menschen hätten Spaß am Umgang mit Nahrung. "Der Bezug zur Herstellung, Lagerung und Verarbeitung von frischen Lebensmitteln ist heute weitgehend verloren gegangen." Auf Regionaltagungen fördert das Ministerium unter anderem mit Projekten wie "Essen von hier" die Herstellung von Kontakten zwischen lokalen Erzeugern und Verbrauchern.
Moderatorin Eva Sauer lenkte in der abschließenden Gesprächsrunde mit den Teilnehmer/innen den Fokus auf mögliche Handlungsansätze Die Europäischen Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Abfallmenge bis 2025 zu halbieren. Dies erfordert ein Umdenken bei den Verbraucher/innen sowie Regularien und praxistaugliche Maßnahmen der Politik – zum Beispiel:
- Problembewusstsein durch Aufklärung
- Informationen zur Wertschätzung von Nahrung
- Klare Regelungen und Informationen zum Mindesthaltbarkeitsdatum
- Erforschung und Förderung intelligenter Verpackungen zum Erkennen verdorbener Waren
- Förderung regional erzeugter Produkte
- Regionale Labels
- Aufnahme des Themas nachhaltige Ernährung in Bildungspläne
- Eine allgemeingültige Definition von "Regionalität".
Bei Fingerfood, das im Sinne der Veranstaltung aufzeigte, wie aus Resten in der heimischen Küche Gutes gekocht und gebacken werden kann, hatten die Teilnehmenden dann Spaß am Genießen, Diskutieren und Vernetzen.