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Fachgespräch zum Anti-Diskriminierungsgesetz
Ein Anti-Diskriminierungsgesetz ist auch ein Vertrauen-Stärkungs-Gesetz
Innenpolitischer Sprecher Oliver Hildenbrand diskutiert beim Fachgespräch mit Expert*innen der Antidiskriminierungsarbeit über das Gesetzesvorhaben
Wie soll das geplante Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) für Baden-Württemberg konkret ausgestaltet sein? Wie ist der Zeitplan? Und was können wir in Baden-Württemberg aus Berlin lernen, wo 2020 das bundesweit erste LADG in Kraft getreten ist? Über diese und viele weitere Fragen hat Oliver Hildenbrand als unser innenpolitischer Sprecher am 19. September mit fünf Referent*innen aus der Antidiskiminierungsarbeit diskutiert. Das Interesse an dem digitalen Fachgespräch war groß: Gut 60 Teilnehmer*innen waren dabei und beteiligten sich mit Fragen und Statements.
Warum es ein Landesantidiskriminierungsgesetz braucht
Die Diskussion um das LADG wird (auch) in Baden-Württemberg kontrovers und mitunter hitzig geführt. Entsprechend ging es im Fachgespräch auch darum, den Diskurs zu versachlichen. Warum ein solches Gesetz notwendig ist, machte Oliver Hildenbrand klar: „Mit dem LADG schließen wir eine rechtliche Lücke und weiten den Schutz vor Diskriminierung auf staatliche Stellen aus. Denn das Recht auf Gleichbehandlung gilt selbstverständlich auch beim Finanzamt, in der Ausländerbehörde oder auf dem Polizeirevier.“
Ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz sei aber nicht nur ein Gesetz gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Es gehe vor allem auch um ein respektvolles und chancengleiches Zusammenleben. „Wir festigen das Vertrauen zwischen Bürger*innen und staatlichen Stellen“, so Hildenbrand. „Ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz ist auch ein Vertrauens-Stärkungs-Gesetz.“
Tempo machen: ambitionierter Zeitplan
Aktuell werden unter Federführung des Innenministeriums die Eckpunkte des Gesetzes erarbeitet. Hildenbrand mahnte an, bei dem Vorhaben keine Zeit mehr zu verlieren: Es sei möglich, dass noch in diesem Jahr der Gesetzentwurf vorliege und der Landtag dann im Frühjahr 2023 das Gesetz verabschieden könne. „Das LADG ist gesellschaftspolitisch von so zentraler Bedeutung, dass es aus meiner Sicht unbedingt in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode umgesetzt werden muss“, forderte Hildenbrand.
Auch ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus fast 100 Verbänden und Organisationen macht sich für ein Landesantidiskriminierungsgesetz in Baden-Württemberg stark. Beim Fachgespräch stellte Andreas Foitzik von der Antidiskriminierungsberatung adis e.V. gemeinsam mit Mervi Herrala vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Adulselam Aslandur vom Deutschsprachigen Muslimkreis Karlsruhe e.V. die Erwartungen und Forderungen des „Bündnisses für ein LADG“ vor.
Baden-Württemberg als Vorbild für andere Flächenländer
Kritiker*innen, die eine Klagewelle befürchten, stellte Andreas Foitzik seine Erfahrung aus der praktischen Beratungsarbeit entgegen: „Die wenigsten, die in die Beratung kommen, wollen klagen. Sie wollen, dass die Diskriminierung aufhört. Sie wollen eine Entschuldigung. Und sie wollen, dass jemand Verantwortung übernimmt. Es ist deshalb eine Frage des Anstands, dass wir das ernst nehmen und nicht bagatellisieren.“ Zudem habe das Land eine Vorbildfunktion: Baden-Württemberg werde nach Berlin das zweite Bundesland und das erste Flächenland in Deutschland sein, das ein solches Antidiskriminierungsgesetz bekommt. „Für alle anderen Flächenländer wird Baden-Württemberg der Maßstab sein. Deshalb stehen wir hier in der Verantwortung, ein gutes und wirkungsvolles Gesetz zu machen.“
Forderungen des Bündnisses für ein LADG
Das „Bündnis für ein LADG“ fordert unter anderem, die Diskriminierungsmerkmale gegenüber dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) zu erweitern, ein Verbandsklagerecht einzuführen und die Frist zu verlängern, innerhalb der Betroffene gegen eine Diskriminierung vorgehen können. „Die zweimonatige Frist aus dem AGG hat sich nicht bewährt“, sagte Adulselam Aslandur. „Zu Beginn steht ja oft die emotionale Belastung im Vordergrund. Hilfe suchen, einen Beratungstermin vereinbaren – all das dauert Zeit. Deshalb sollten hier die gewöhnlichen Verjährungsfristen gelten.“
Ganz zentral ist aus Sicht des Bündnisses auch die Einrichtung einer Ombudsstelle. „Sie sollte bei der Landesantidiskriminierungsstelle angesiedelt sein, damit hier Synergieeffekte genutzt werden können “, sagte Mervi Herrala. „Aber es ist wichtig, dass die Ombudsstelle wirklich unabhängig agieren kann.“
Forderungen des „Bündnisses für ein LADG“
Blick nach Berlin
Das bestätigte Dr. Doris Liebscher, die die Ombudsstelle für das Berliner LADG leitet. Sie machte deutlich: Vieles, was im Berliner Gesetz verankert sei, habe sich bewährt. Etwa die Ombudsstelle als niedrigschwellige Anlaufstelle, das Verbandsklagerecht oder die Erweiterung der Diskriminierungsmerkmale. Aber es gebe auch Nachbesserungsbedarf: „Es ist wichtig, dass die Ombudsstelle mit ausreichend Ressourcen ausgestattet ist“, so Liebscher. Zudem müsse das Verbandsklagerecht um einen Rechtshilfefonds erweitert werden. „Kleinere Verbände scheuen eine Klage aus Angst, dass sie am Ende auf den Kosten sitzen blieben.“ Auch ein eigenes Befragungsrecht für die Ombudsstelle sei sinnvoll.
Blick nach Österreich
Dem Blick nach Berlin folgte ein Blick nach Österreich. Dort treibt Noomi Anyanwu als Co-Initiatorin und Sprecherin aktuell das Anti-Rassismus „Black Voices Volksbegehren“ voran. Kernforderung ist ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus. „Wir fokussieren uns auf den Kampf gegen strukturellen Rassismus“, sagte Noomi Anyanwu. „Der ist auch bei uns in Österreich so normalisiert, dass er vielen gar nicht bewusst ist.“ Sehr viele Länder würden gerade genau beobachten, was politisch in Sachen Antidiskriminierung in Deutschland und Baden-Württemberg passiert. „Auch wir in Österreich schauen auf euch und können sehr gut auf Baden-Württemberg referieren.“
Website Black Voices Volksbegehren
In der Diskussion sprachen die Teilnehmer*innen zahlreiche Themen an: Diskriminierungs-Prävention, Beweislasterleichterung, Beteiligungsprozess beim Landesaktionsplan und viele mehr.
„Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir sind auf einem guten Weg“, stellte Oliver Hildenbrand zum Abschluss mit Blick auf das Gesetzesvorhaben fest. Die vielen wertvollen Impulse und Hinweise aus dem Fachgespräch würden nun in den Gesetzgebungsprozess eingespeist. Dessen Zielsetzung sei klar: „Wir wollen ein wirksames Gesetz und wir wollen ein Gesetz, das zu Baden-Württemberg passt.“
Das gesamte Gespräch finden Sie hier: Youtube: Video-Aufzeichnung vom Fachgespräch