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Gegen Rassismus unter dem Deckmantel der Religions- und Kulturkritik
Zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie, mit der englischen Abkürzung IDAHO, am 17. Mai blickt Brigitte Lösch im Interview auf die bisherigen Erfolge im Kampf für Gleichberechtigung zurück – und warnt vor einem Roll-Back durch Phänomene wie Pegida oder Demo für alle. Politik, Gesellschaft und Kirchen sind gefragt, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Warum braucht es einen Aktionstag gegen Homo- und Transphobie? Brigitte Lösch: Der Tag dient dem Zweck, Respekt gegenüber Nicht-Heterosexuellen einzufordern. Momentan erleben wir eine zweigleisige Entwicklung – einerseits sind Politik und Gesellschaft schon weit gekommen seit dem 17.5.1990. Damals strich die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus dem Katalog für Krankheiten. Trotzdem ist „Schwule Sau“ auf dem Schulhof oder dem Sportplatz ein beliebtes Schimpfwort, um andere zu demütigen. Coming-Outs in Schule und Beruf sind nach wie vor ein schwerer Schritt. Die Gefahr, ausgegrenzt und angefeindet zu werden, ist real. Das liegt auch daran, dass wir momentan den aggressiven Versuch erleben, gleiche Rechte für Minderheiten so umzudeuten, als sei Gleichberechtigung ein Angriff auf die Gesellschaft – nach dem Motto: Wenn Gruppe A die Gruppe B nicht mehr unterdrückt, wird Gruppe B die Gruppe A unterdrücken. Woran lässt sich ein solcher „Roll-Back“ gegen Gleichberechtigung festmachen? Die Diskussionen um die Reform eines zehn Jahre alten Bildungsplans sowie um den Aktionsplan der Landesregierung für Akzeptanz und gleiche Rechte haben deutlich gezeigt, wie rechtskonservative Gruppierungen Stimmung erzeugen wollen gegen eine offene und tolerante Gesellschaft. Völlig losgelöst von den Fakten sowie den Inhalten von Bildungs- und Aktionsplan werden in Onlinepetitionen, Internetforen oder auf Demonstrationen die ganz großen Dramen an die Wand gemalt – Toleranzdiktatur, Werteverfall, Angriff auf Ehe und Familie, Genderismus, Ende der Menschheit, etc. So absurd die Vorstellung ist, dass Mutter-Vater-Kind(er)-Familien etwas weggenommen wird, wenn gleichgeschlechtliche Paare heiraten - bei einem kleinen, aber lautstarken Teil der Bevölkerung verfängt sie und löst beängstigende Aggressionen aus. Warum ist es für dich wichtig, Solidarität zu zeigen? Die Angst „Wenn andere die gleichen Privilegien erhalten, dann sind meine weniger Wert“ ist totaler Quatsch. Doch Pegida, die am 17. Mai Stuttgart unsicher machen wollen, sowie die neue Welle scheinwissenschaftlicher antifeministischer Publikationen hauen in die gleiche Kerbe kruder Denk- und Argumentationsweisen und versuchen damit Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Teilweise leider mit Erfolg, denn unterschwelliger Rassismus ist ein zunehmendes Phänomen. Rassismus äußert sich heute nicht mehr so häufig als plumpe Ausländerfeindlichkeit wie das noch vor Jahren der Fall war. Vielmehr kommt er heute unter dem Deckmantel der Kultur- oder Religionskritik daher. Wie sollen Demokrat_innen reagieren, wenn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit menschenfeindliche Äußerungen verbreitet werden? Ich sehe daher den IDAHO im Zusammenhang mit dem Kampf gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Er geht daher alle an, die die Würde der Menschen verteidigen - egal welche Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung diese haben. Gibt es auch Zeichen der Hoffnung? Respekt gegenüber jedem Menschen und die Würde jedes einzelnen zu achten sind mir ein tiefes Bedürfnis und die Maxime für mein Handeln. Vor 1990 galt laut WHO Homosexualität als Krankheit; so ein Stigma prägt die Gesellschaft doch natürlich sind wir auch weiter gekommen. Heute diskutieren wir über die weitere Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Obwohl Deutschland dabei im europäischen Vergleich hinterherhinkt, zeigt das doch: Die Gesellschaft hat sich im Umgang mit Homo-, Bi- und Transsexualität im positiven Sinne weiterentwickelt. In Baden-Württemberg haben wir alle landespolitischen Mittel ausgeschöpft und die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren erreicht. Außerdem sind wir mit dem Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte auf einem guten Weg, Initiativen zu vernetzen und zu stärken, die sich gegen Diskriminierung von LSBTTIQ und gegen Homophobie einsetzen. Weitere Infos: Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg