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Frauen gehen ihren Weg?: Fraktion setzt sich für geschlechtergerechte Mobilität ein




„Frauen gehen schon ihren Weg?“ – Plädoyer für eine Mobilitätskultur, die Frauen in den Mittelpunkt stellt
Männer bauen schwerere Unfälle, Männer fahren häufiger zu schnell, Männer bremsen die Verkehrswende aus? Warum Fortschritt in der Mobilität auch eine Geschlechterfrage ist, stand im Mittelpunkt eines Fachgesprächs, zu dem die Fraktion Grüne im Landtag Baden-Württemberg am 21. März 2025 eingeladen hatte.
Im Fokus stand die Frage, wie Mobilität geschlechtergerechter und nachhaltiger gestaltet werden kann. Die Diskussion zeigte deutlich: Bisher sind Mobilitätsangebote und Verkehrspolitik oft auf die Bedürfnisse von Männern zugeschnitten, während die spezifischen Anforderungen von Frauen unzureichend berücksichtigt werden.
Aber warum ist das so? Ein wesentlicher Grund sind nach wie vor bestehende Geschlechterrollen. Die meisten Männer pendeln zweimal am Tag weite Strecken – gerne auf der Autobahn – zur Arbeit und zurück. Die meisten Frauen haben einen bunten Mix an Wegen zurückzulegen, da sie nach wie vor den größten Teil der Care-Arbeit (Haushalt, Kinder, Pflege …) übernehmen und oft in Teilzeit arbeiten. Dabei sind sie häufiger zu Fuß, mit dem Rad oder dem Bus unterwegs. Da hilft der männlich geprägte Fokus auf die Autobahn und lange Strecken nicht weiter. Frauen haben durch ihre Sozialisation und ihre Lebensumstände eine andere Perspektive auf Mobilität. Sie haben die Sichtweisen von Kindern und Menschen, die kein Auto fahren, besser im Blick.
Gudula Achterberg, Sprecherin für Straßeninfrastruktur: „Dass wir mit der Mobilitätswende noch nicht deutlich weiter sind, ist auch durch patriarchalische Strukturen und Verhaltensmuster bedingt.“
Ein kulturelles Umdenken für eine gerechte Mobilität
Die zentrale Erkenntnis des Fachgesprächs war, dass eine Mobilitätswende auch die Geschlechtergerechtigkeit im Fokus haben muss. Es genügt nicht, sich nicht nur um technologische Innovationen zu bemühen. Vielmehr braucht es ein grundlegendes Umdenken, um eine Mobilitätskultur zu schaffen, die Frauen genauso in den Mittelpunkt stellt und ihre spezifischen Bedürfnisse und Perspektiven berücksichtigt. Hierzu braucht es vor allem auch mehr Frauen in Führungspositionen in allen für den Verkehr entscheidenden Gremien in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.
Silke Gericke, verkehrspolitische Sprecherin zu den Wechselwirkungen zwischen Gleichstellung und Verkehrswende: „Würden mehr Frauen an den relevanten Stellen in der Mobilitätsplanung entscheiden, dann wäre unser Verkehr schon lange deutlich sicherer, sozial gerechter und klimafreundlicher."
Impulse von Expert*innen
Hochkarätige Referent*innen trugen mit ihren sehr unterschiedlichen Perspektiven zu einer spannenden Diskussion bei:
- Boris von Heesen, Männerberater und Autor, thematisierte die gesellschaftlichen und finanziellen Kosten einer männlich geprägten Mobilität und vertritt die These, das Auto ist ein Werkzeug um das Patriarchat am Leben zu erhalten.
- Prof. Dr.-Ing. Claudia Hille, Expertin für nachhaltige Mobilität & Stiftungsprofessorin Radverkehr an der Hochschule Karlsruhe, präsentierte wissenschaftliche Ansätze, um eine gerechtere Verkehrsplanung zu ermöglichen, die Frauen und ihre Mobilitätsmuster berücksichtigt.
- Elke Zimmer MdL, Staatssekretärin im Verkehrsministerium Baden-Württemberg brachte die Perspektive und Ansätze des Landes ein.





Herausforderungen und Lösungsansätze
Hermino Katzenstein, Sprecher für Fuß- und Radverkehr: „Verkehrswende und Gleichstellung der Geschlechter müssen Hand in Hand gehen. Die Mobilitätswende hin zu lebenswerten öffentlichen Räumen, mehr Fuß- und Radverkehr sowie attraktiven und sicheren ÖPNV-Angeboten ist auch ein wesentlicher Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter. Denn gerade Frauen sind es, die oft ohne Auto, dafür mit Kind unterwegs sind.“
Besonders im ländlichen Raum wurden die Herausforderungen einer geschlechtergerechten Mobilität deutlich. Verlässliche öffentliche Verkehrsmittel und eine bessere Nahversorgung sind entscheidend, um Frauen eine selbstbestimmte Mobilität zu ermöglichen. Zudem wurde betont, dass barrierefreie Infrastruktur allen zugutekommt – von rollstuhlgerechten Wegen bis hin zu weniger Absperrgittern.
Ein Perspektivwechsel in der Planung wurde als zentraler Lösungsansatz identifiziert. Bereits in der Ausbildung von Mobilitätsplaner*innen sollte das Bewusstsein für geschlechtergerechte Konzepte geschärft werden, um zukünftige Lösungen besser auf die Bedürfnisse von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen abzustimmen. Aber auch Beteiligungsprozesse, bei denen Frauen sich nicht nur als Quote einbringen können, müssen in den Fokus genommen werden.
Initiativen des Landes
Das Land Baden-Württemberg setzt mit Programmen wie bwegt und MOVERS – Aktiv zur Schule wichtige Impulse für eine nachhaltige und gerechte Mobilität. Während bwegt den öffentlichen Nahverkehr durch Taktverdichtungen und bessere Verbindungen attraktiver macht, unterstützt MOVERS Schulen und Kommunen bei der Schaffung sicherer Rad- und Fußwege für Kinder.
Visuelle Zusammenfassung
Die Ergebnisse des Fachgesprächs wurden durch ein Graphic Recording von Kathrin Werner anschaulich visualisiert. Ihre Illustration verdeutlicht zentrale Zusammenhänge und zeigt, dass eine Mobilitätswende, die Frauen in den Mittelpunkt stellt, nur durch ein umfassendes gesellschaftliches Umdenken erreicht werden kann.
Fazit
Verkehrswende und Gleichstellung der Geschlechter bedingen sich gegenseitig! Je erfolgreicher die Gleichstellung gelingt, desto einfacher wird es mit der Verkehrswende! Je schneller die Verkehrswende vorangetrieben wird, desto besser können Frauen und Männer gleichgestellt leben.
Die hier diskutierten Zusammenhänge zwischen Mobilität und Geschlechtergerechtigkeit verdeutlichen, warum Themen wie diese in der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie des Landes berücksichtigt werden müssen. Diese Strategie ist eines der zentralen gleichstellungspolitischen Projekte dieser Legislaturperiode und unverzichtbar, um strukturelle Hindernisse und geschlechtsspezifische Ungleichheiten in allen Politikbereichen nachhaltig zu überwinden.