Resolution: Freiheits- und Menschenrechte im Iran

Am 16. September 2022 wurde die 22-jährige Mahsa Jina Amini verhaftet, weil sie das Kopftuch angeblich nicht vorschriftsgemäß getragen hatte. Sie wurde in der Haft von der iranischen Sittenpolizei schwer misshandelt und verstarb an ihren Verletzungen. 

Als Zeichen der Solidarität mit Mahsa Amini und aus Protest gegen die Situation von Frauen im Iran nehmen seither viele iranische Frauen bewusst ihre Kopftücher ab, verbrennen diese oder schneiden sich die Haare ab! So wandelte sich der Widerstand rasch in eine neue Demokratie-, Freiheits- und Menschenrechtsbewegung in der autoritär regierten Islamischen Republik Iran. Menschen aus allen Teilen des Landes – darunter besonders viele Frauen und junge Menschen – schließen sich den Protesten gegen das menschenverachtende Regime an; sie dauern seither an. Auch viele Männer solidarisieren sich mit den Demonstrantinnen. Die Protestierenden erfahren große Solidarität quer durch alle gesellschaftlichen Schichten, aber insbesondere auch durch Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten und queere Menschen.

Was als Protest gegen das Kopftuch begann, ist inzwischen vieler Orts eine Revolution gegen Repression, religiösen Fanatismus und die Perspektivlosigkeit in einem System der Unfreiheit geworden. Das iranische Regime reagiert auf die landesweiten Proteste mit massiver Gewalt und geht brutal gegen die eigene Bevölkerung vor.  Auf Demonstrierende wird gezielt scharf geschossen. In Teilen des Landes führt die iranische Regierung somit faktisch einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Über 15 000 Menschen sind zwischenzeitlich verhaftet worden, über 400 Menschen wurden getötet – darunter sehr viele Kinder. Menschen, die verschleppt oder bei den Protesten verhaftet werden, droht in der Haft Misshandlung, Vergewaltigung und die Ermordung. Menschen werden in Scheinprozessen und auf Basis unter Folter erzwungener Geständnisse verurteilt:  Es wurden zwischenzeitlich tausende von Todesurteile verhängt – für die Beteiligung an Demonstrationen! Das Regime hat bereits zwei Demonstranten öffentlich hingerichtet, es steht sehr zu befürchten, dass es in den kommenden Tagen weitere Hinrichtungen geben wird.

Aminis Tod ist jedoch – leider – ein Teil der bereits seit Jahrzehnten bestehenden, systematischen Verletzung von Menschenrechten im Iran. Vor allem Menschen, die sich für Menschenrechte einsetzen, Frauen und Minderheiten werden unterdrückt, diskriminiert und verfolgt. Regimekritische Menschen werden im Iran seit vielen Jahren willkürlich verhaftet, eingeschüchtert und gefoltert. Gerichtsverfahren sind meist eine Farce. Schon in der Vergangenheit beklagte die iranische Demokratie- und Freiheitsbewegung immer wieder Todesopfer und auch im Ausland waren sie vor dem Regime nicht sicher.

Die Fraktion GRÜNE im Landtag von Baden-Württemberg verurteilt das Unrechtsregime und dessen unerträgliche Gewalt gegen die Protestbewegung auf das Schärfste. Unsere Solidarität gilt den Angehörigen und Freund*innen und der Verletzten, Verhafteten, Ermordeten und Verschwundenen. Wir unterstützen die Bestrebungen des iranischen Widerstandes nach Freiheit, Gleichheit, Menschen- und Bürger*innenrechten, Frauenrechten, LGBTIQ+-Rechten, dem Schutz ethnischer und religiöser Minderheiten und Rechtstaatlichkeit.  Wir sprechen uns aus gegen willkürliche Verhaftungen und Verschwinden-lassen, unmenschliche Behandlung, politische Justiz, Diskriminierung, Korruption und Unfreiheit aus. Bereits im September 2022 haben Mitglieder des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe fraktionsübergreifend die Erklärung „Gemeinsam für Frauen- und Menschenrechte im Iran – Solidarität mit der mutigen Zivilgesellschaft im Iran“ verabschiedet.

Am 24. November 2022 beschloss der UN Menschenrechtsrat in Genf, u. a. auf Initiative der deutschen Bundesregierung, schließlich eine unabhängige, internationale Fact-Finding-Mission, um die Menschenrechtsverletzungen gründlich und unabhängig in Zusammenhang mit den Protesten im Iran seit September zu untersuchen. Unser Dank gilt Annalena Baerbock, die mit einer eindrucksvollen Rede diese Forderung unterstrich. Alle politischen Ebenen in Bund und Ländern sowie der EU und der internationalen Gemeinschaft müssen alles dafür tun, die Freiheits- und Menschenrechtsbewegung im Iran zu unterstützen und Iraner und Iranerinnen zu schützen:

 

  1. Wir fordern ein sofortiges Ende der Gewalt des iranischen Regimes gegenüber ihren Bürgerin­nen und Bürgern. 
  2. Wir verurteilen die Hinrichtungen von Menschen auf das Schärfste.
  3. Wir zeigen uns solidarisch mit den Menschen im Iran, die unter dem Regime massiv leiden und trauern mit den Angehörigen all jener, die starben.
  4. Wir fordern, dass Freiheits- und Menschenrechte im Iran Beachtung und Schutz finden
  5. Wir begrüßen, dass die Länder auf der Konferenz der Innenminister und Innenministerinnen erklärt haben, vorerst keine Menschen mehr in den Iran abzuschieben. Wir halten einen formalen Abschiebestopp für angezeigt.
  6. Wir machen uns stark für eine erhöhte Wachsamkeit deutscher Sicherheitsbehörden, auch in Baden-Württemberg, gegenüber dem Vorgehen iranischer Geheimdienste und Polizeieinheiten gegen in Deutschland wirkende Oppositionelle und Kritiker*innen der iranischen Regierung
  7. Wir unterstützen die Bundesregierung bei ihren an den Iran gerichteten Forderungen sowie ihrer klaren Stimme in der EU und der internationalen Gemeinschaft.
  8. Wir machen uns dafür stark, dass die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorlisten aufgenommen werden.
  9. Wir unterstützen alle drei Sanktionspakete der Europäischen Union und damit auch die Maßnahmen des Europäischen Rats, welcher 20 Personen und eine Einrichtung in die Liste der Personen aufgenommen hat, die im Rahmen der bestehenden Menschenrechtssanktionen gegen Iran restriktiven Maßnahmen unterliegen.
  10. Wir begrüßen die im UN-Menschenrechtsrat beschlossene Untersuchung gegen die Verantwortlichen der Gewalt gegen die Protestbewegung und setzen darauf, dass die Vorwürfe gegen die iranische Regierung und die Sicherheitsbehörden ohne Einschränkung aufgeklärt werden.

 

Beschlossen in der Fraktionssitzung am 20. Dezember 2022.